14.04.2023 | #Brandschutz #Hochhaus

  Brandschutz in luftiger Höhe

Warum Brandschutz in Hochhäusern besonders und besonders wertvoll ist

 

Viele von uns standen schon vor einem Hochhaus und legten den Kopf in den Nacken, um die Ausmaße des Gebäudes visuell erfassen zu können. Dass solche Gebäude besondere Anforderungen an den Brandschutz stellen, dürfte jedem klar sein. Die Evakuierung, die Arbeit der Feuerwehr – all das ist hier nicht einfach.

In den kommenden Jahren wird es in unseren Innenstädten immer mehr Hochhäuser geben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Platzbedarf und Flächenmangel veranlassen Stadtplaner immer öfter zum so genannten “Nachverdichten” (Aufstocken vorhandener Gebäude) und zum Bauen ins Vertikale. Hinzu kommen die Gründe, die seit jeher für die Errichtung von Hochhäusern sprechen: Tourismus, Wirtschaft, Prestige und vielerorts die Schaffung eines Wahrzeichens.

Was ist ein Hochhaus in Deutschland?

Beginnen wir mit der grundlegenden Frage: Wann gilt ein Gebäude in Deutschland überhaupt als Hochhaus? Dies ist in Deutschland in den Richtlinien über “die bauaufsichtliche Behandlung von Hochhäusern” (Hochhaus-Richtlinien – HHR) geregelt. Sie legt fest, welche Auflagen bei der  Errichtung und dem Unterhalt eines Hochhauses zu beachten sind. In dieser ist Hochhaus wie folgt definiert: “Hochhäuser sind Gebäude, bei denen der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 Meter über der festgelegten Geländeoberfläche liegt”. Die Begründung für diese Definition ergibt sich aus der grundsätzlichen Forderung nach zwei voneinander unabhängigen Rettungswegen für jeden Aufenthaltsraum. Es gilt hierbei der Grundsatz, dass dieser zweite Rettungsweg auch über die Rettungsgeräte der Feuerwehr führen darf. Bei Feuerwehren in Deutschland ist das größte, genormte Rettungsgerät eine Drehleiter DLK 23/12. Die Ziffern bedeuten hierbei die Nennrettungshöhe von 23 Metern bei einer Ausladung von 12 Metern. Die Differenz von einem Meter ergibt sich deshalb, weil zur Höhenlage des Fußbodens noch die Brüstungshöhe addiert werden muss, um auf die erforderliche Rettungshöhe zu kommen. Übersteigt ein Gebäude diese Höhe, scheiden die Rettungsgeräte der Feuerwehr für den zweiten Rettungsweg folgerichtig aus. Deshalb werden andere Maßnahmen nötig (z.B. zweiter baulicher Rettungsweg, Sicherheitstreppenraum u. ä.).

 

Mit der steigenden Höhe eines Gebäudes treten Probleme auf, die bei normalen, sprich niedrigen Häusern, nicht auftreten. Die Höhe und die damit verbundene Länge des Angriffswegs beispielsweise. Ab einer gewissen Länge ist der Löscherfolg fraglich. Muss ein Feuerwehrangehöriger erst 100 Höhenmeter mit 20 bis 30 kg Ausrüstung überwinden, sind die Kraftreserven für den Löschangriff bereits aufgebraucht. Deshalb wird in der Regel ab 30 Meter Höhe ein Feuerwehraufzug gefordert. Die Höhe beeinflusst auch die Löschwasserförderung innerhalb solcher Gebäude. Die Mittel der Feuerwehr zur Wasserförderung sind nicht unerschöpflich. Schlauchmaterial und Pumpenausgangsdruck finden in der Vertikalen schnell ihre Grenzen. Deshalb werden in Hochhäusern Steigleitungen und/oder Druckerhöhungspumpen gefordert. Die Brandausbreitung ist, besonders in der Vertikalen, ein großes Problem in Hochhäusern. Deshalb sind in der HRR besondere Maßnahmen festgelegt. Beispielsweise für die Verlegung von Leitungen (Rohrleitungen, Elektroleitungen, Telekommunikationsleitungen) sowie Anforderungen an die Baustoffe etc. Das in einem Hochhaus alle Bewohner oder Menschen, die sich im Gebäude aufhalten, mitbekommen, wenn ein Notfall eintritt oder die Feuerwehr tätig wird, ist unwahrscheinlich. Aus diesem Grund können Warneinrichtungen (z. B. eine elektrische Lautsprecheranlage) gefordert werden. Die meist hohe Anzahl an Personen (bezogen auf die Grundfläche des Gebäudes) führt zu einer erhöhten Gefährdung. Ab einer bestimmten Gebäudehöhe werden deshalb Feuerlöschanlagen, Brandmeldeanlagen oder Handfeuerlöscher gefordert. Die letzte Besonderheit der HRR ist, dass im Gegensatz zu den Landesbauordnungen, hier auch Betriebsvorschriften enthalten sind. Die HRR können in den einzelnen Bundesländern leicht abweichen. Der rechtliche Status unterscheidet sich teilweise. In manchen Bundesländern ist die Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) bauaufsichtlich eingeführt. In den übrigen Bundesländern fehlt eine entsprechende Rechtsvorschrift. In diesen Bundesländern wird die Gültigkeit der MHHR in der Baugenehmigung festgelegt, oder die Anforderungen werden als Nebenbestimmungen aufgeführt.

Brände in Hochhäusern

Viele Gefahren wirken sich auf Hochhäuser stärker aus als auf normale Gebäude. Statik, Erdbebenwiderstand und spätestens seit dem 11. September 2001 auch Terroranschläge. Genutzt werden Hochhäuser bei uns meist als Wohnung, Büro, für den Einzelhandel oder als Hotel. Häufig in kombinierter Nutzung (z.B. Verkaufsstätten, Gaststätten oder Versammlungsstätten im Erdgeschoss, Büros vom 1. Obergeschoss an aufwärts). Brandereignisse in Hochhäusern erleben, im Gegensatz zu Bränden in Wohnhäusern, ein wesentlich größeres Medienecho. Bildlich gesehen, ist ein Brand in einem Hochhaus wie eine Fackel, die Aufmerksamkeit im Herzen der Stadt auf sich zieht. Wie in fast allen Gebäuden und trotz aller Sicherheitsvorkehrungen können Brände in Hochhäusern nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Wenn sie denn auftreten, dann sind sie meist spektakulär. Tragischerweise werden sie oft von einer hohen Opferzahl begleitet. Bei kaum einer anderen Gebäudeart gab es in der Vergangenheit mehr einschneidende Brandereignisse als in Hochhäusern. Immer wieder wurden die Anforderungen nach einem solchen Ereignis angepasst, konkretisiert und/oder verschärft. 

 

Besonderheit Hochhaus

Die Brandursachen in Hochhäusern unterscheiden sich nicht wesentlich von denen in anderen Gebäuden. Die Brandursachen können übergreifend wie folgt dargestellt werden: Häufigste Ursache sind technische Defekte, z.B. elektro- und haustechnische Defekte, gefolgt von menschlichem Versagen (Zigarettenglut, Verwendung von Pyrotechnik, Baumaßnahmen, Schweiß- und Heißarbeiten) und zuletzt Brandstiftungen. Die größte Gefahr bei einem Brand in einem Hochhaus geht von der Brandausbreitung aus. Hierbei gibt es aber einige Besonderheiten zu beachten, welche in der Bauweise des Gebäudes begründet sind.

Gefahren durch vertikale Brandausbreitung

Die vertikale Brandausbreitung ist bei Hochhäusern ein wichtiger Faktor. Durch die vertikale Ausbreitung können, auch im Vergleich zur horizontalen Ausbreitung, wesentlich größere Flammenhöhen erreicht werden. Dies geschieht über die Flammenausbreitung an den Außenwandseiten. Hier können höhere, flächenbezogene Brandleistungen erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit der vertikalen Ausbreitung bieten notwendige Öffnungen (Treppenräume, Atrien, Technikschächte, Aufzüge etc.) im Inneren des Gebäudes, welche die Ausbreitung von Rauch und Feuer ermöglichen. Ein relativ hoher Anteil der Brände beginnt in den unteren Geschossen eines Hochhauses. Daher muss eine vertikale Brandausbreitung in aller Regel über das gesamte Gebäude angenommen und verhindert werden.

Gefahren durch Rauchausbreitung

In Hochhäusern besteht die Gefahr einer massiven und schnellen Rauchausbreitung. Dies ist auf die teilweise erheblichen Temperaturunterschiede in den flächenmäßig sehr hohen Treppenräumen zurückzuführen. Oftmals werden Geschosse oder Teile davon durch Atrien verbunden, die wiederum die Ausbreitung von Rauch fördern können. 

Gefahren bei der Evakuierung

Die Grafik oben hat bereits gezeigt, dass es bei Bränden in Hochhäusern schnell zu erschreckend hohen Opferzahlen kommen kann. Dies hängt mit den Gefahren und möglichen Problemen bei der Evakuierung zusammen. Sind Mängel bei den brandschutztechnischen Einrichtungen vorhanden, schlagen diese bei einem Hochhaus gleich doppelt durch. Durch die vertikale Begrenzung sind Geschosse, die über dem Brand liegen, oft nicht mehr effektiv zu evakuieren, da die Treppenräume nicht mehr benutzbar sind. Der Brand kann sich über die Geschosse ausbreiten, wenn keine Feuerlöschanlagen vorhanden oder vorhandene nicht einsatzbereit sind.

Gefahren durch Mischnutzungen

Da Hochhäuser aufgrund von Lage und Größe oftmals Mischnutzungen sind, ergeben sich im organisatorischen Brandschutz Probleme. Sie machen die Organisation und Aufrechterhaltung eines adäquaten Brandschutzniveaus schwierig. Verursacht werden diese Schwierigkeiten insbesondere durch die Größen der Nutzungseinheiten von über 200m² (Verkaufs- und Versammlungsstätten, Büros, etc.). Hohe Personenzahlen (Verkaufsstätten, Gaststätten, Versammlungsstätten) und Beherbergungen innerhalb des Gebäudes (Wohnungen, Hotel, Krankenhausbereiche, etc.) sowie ortsunkundige Personen in den oben genannten Nutzungsarten.

Problem Bestandsschutz

Grundsätzlich gelten die Auflagen der MHHR sowohl für Neubauten als auch für Bestandsbauten. Jedoch genießen Bestandsgebäude, welche nach älteren Versionen der MHHR gebaut wurden, bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz. Gleiches gilt im Übrigen auch in Ostdeutschland für Gebäude, die in der ehemaligen DDR nach der TGL 10685 gebaut wurden. Die Folgen zeigen sich in der Einsatzrealität der Feuerwehren. Oftmals entsprechen die vorgefundenen Hochhäuser nicht den aktuell in der MHHR geforderten Brandschutzmaßnahmen. Folgerichtig muss man konstatieren, dass das grundlegende Brandschutzniveau bei Hochhäusern in Bestandsbauten in Deutschland im Regelfall nicht erreicht wird. Die Feuerwehren müssen deshalb im Rahmen der Einsatzvorbereitung objektspezifische Maßnahmen entwickeln und einüben. 

Problem Bestandsschutz

Wie kann nun den oben aufgeführten Gefahren begegnet werden? Der Brandschutz in Hochhäusern muss folgende Schutzziele erfüllen: 

 

Vertikale Brandausbreitung: Bauliche und anlagentechnische Maßnahmen

Im heutigen Baurecht gibt es mehrere Vorgaben, die einer vertikalen Brandausbreitung entgegenwirken sollen. Diese unterteilen sich in die folgenden Bereiche:

 

Betrachtet man die Schäden (sowohl Personen- als auch Materialschäden) bei Hochhausbränden, dann kommt man schnell zu dem Schluss, dass die Brandausbreitung bei verheerenden Bränden fast immer über die Fassaden der Gebäude erfolgt. Der letzte tragische Brand dieser Kategorie ereignete sich 2017 in London. Durch den medial gut dokumentierten Verlauf dieses Brandes ist es beinahe jedem Betrachter ersichtlich, dass der Brand sich über die Fassade und deren brennbare Materialien schnell und nahezu unaufhaltsam ausbreiten konnte. 72 Menschen kamen 2017 im Londoner “Grenfell Tower” ums Leben. Eine für unsere Zeit in Mitteleuropa unvorstellbar gewordene, hohe Opferzahl. Die vertikale Brandausbreitung ist gerade bei Fassaden mit Kunststoffmaterialien extrem hoch. Bei Oberflächen aus Holz ist das schwer zu beurteilen, da Holz (noch) nicht weit verbreitet ist im Hochhausbau. Die Auswertung zeigt aber auch, dass Feuerlöschanlagen einen wirksamen Schutz beim Übergang von der horizontalen in die vertikale Brandausbreitung bieten können.

Rettungswege in Hochhäusern

Ein Problem bei den Rettungswegen liegt bei Hochhäusern auf der Hand – die Höhe. Die erhebliche Entfernung der oberen Bereiche des Gebäudes zum Erdniveau und zum öffentlichen Raum bedingen einige Besonderheiten bei der Personenrettung. Folgende Bedingungen erschweren den Einsatz von Rettungskräften in solchen Gebäuden:

  1. Zeit – das Erreichen des Brandes verzögert sich. Daraus ergibt sich
  2. eine größere und schnellere Verrauchung sowie
  3. die Zeit bis zum Beginn eines wirksamen Innenangriffs der Feuerwehr.
  4. Die hohe Personenzahl innerhalb des Gebäudes und
  5. die damit verbundene, hohe Interventionszeit zur Personenrettung.
  6. Hoher technischer Aufwand zum Löschen in hohen Geschossen.

Aus den oben genannten Gründen ist in der Planung der Rettungswege zu beachten, dass das Verlassen des Gebäudes für alle Personen auch ohne Unterstützung der Feuerwehr möglich sein muss. Um dies gewährleisten zu können, sind bei Gebäuden über 60 Meter Höhe zwei vertikale Sicherheitstreppenräume vorgesehen, in manchen Fällen auch Außentreppen. Auch auf organisatorischer Seite sind Aufgaben zu erfüllen. Durch die Bauweise der Gebäude nutzen die meisten Personen die Aufzüge und sind mit den Treppenräumen nicht vertraut. Diese Kenntnisse der Sicherheitstreppenräume müssen organisatorisch geschaffen werden. 

Brandbekämpfung durch Einsatzkräfte der Feuerwehr

Durch die Bauart von Hochhäusern sind die Rettungswege für die Feuerwehr mitunter sehr lang. Eventuelle Brandherde können sich sehr weit entfernt von der Geländeoberfläche befinden. Der Zeitaufwand zum Erreichen des Brandherdes kann damit sehr groß sein. Daher ist eine der Konsequenzen, dass die Bauteile in Hochhäusern einen höheren Feuerwiderstand aufweisen müssen als vergleichbare Bauteile in normalen Gebäuden. Ebenfalls werden erhöhte Anforderungen an die Nutzung der Rettungswege gestellt. Die Anforderungen an den anlagentechnischen Brandschutz sind folgerichtig ebenfalls höher als bei Gebäuden unterhalb der Hochhausgrenze. Das bedeutet im Einzelnen höhere Anforderungen an raumabschließende Trennungen innerhalb der Geschosse. Diese sind notwendig, um ein Erreichen des Brandgeschosses von den darunter liegenden Geschossen ohne Verrauchungsgefahr zu ermöglichen. Löschwasserentnahmestellen innerhalb des Brandgeschosses, wie Wandhydranten an Nasssteigleitungen, die im Brandgeschoss eine direkte Einspeisung ermöglichen, gehören ebenfalls zu den Voraussetzungen. Es muss hierbei sichergestellt werden, dass Löschwasser in ausreichender Menge zuverlässig auch in sehr großen Höhen zur Verfügung steht. Die Schwierigkeiten hierzu wurden bereits behandelt. 

AUTOR

Picture of Clemens Schindler
Clemens Schindler

B.A. Redaktion (V.i.s.d.P.)

Diese Themen könnten
Sie auch interessieren …

Betrieblicher Brandschutz bei Elektrofahrzeugen

Der Brand eines dienstlich genutzten Elektroautos kann Unternehmen teuer zu stehen kommen: Menschen können gefährdet werden, Gebäude schweren Schaden nehmen. Umso besser, wenn in einer Organisation das Wissen vorhanden ist, wie Brände von Elektroautos und Ladeinfrastruktur vermieden werden können.

Weiterlesen »

Brandschutzhelfer – und wenn ja, wie viele?

Unternehmen stehen heute vor einem kleinen Dilemma, den Brandschutz betreffend. Der Grund dafür ist einfach: Immer mehr Mitarbeiter befinden sich seit der Hochzeit der Corona-Pandemie im Home Office. Daher haben viele Betriebe oftmals nicht mehr ausreichend Brandschutzhelfer in der Betriebsstätte. Aber wie viele sind denn überhaupt erforderlich? Ein Überblick.

Weiterlesen »

Ausfall des anlagentechnischen Brandschutzes

Die vfdb (Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V.) hat in diesem Merkblatt die „Maßnahmen bei Ausfall von Einrichtungen des anlagentechnischen Brandschutzes“ veröffentlicht – wer also eine Brandmeldeanlage oder eine Rauch- und Wärmeabzugsanlage hat, sollte hier vielleicht einen Blick rein werfen.

Weiterlesen »